Am letzten Tag des Monats März rauschte es im Blätterwald, nicht im naturgewachsenen, denn der hatte ja kaum begonnen, erste Blattknospen zu treiben, sondern im bedruckten. Auch die Online-Ausgaben der Presse hielten mit der Meldung nicht zurück: Betrüger hatten schrottreife, ausgestanzte Euro-Münzen in China wieder zusammenkleben lassen und mit der Hilfe von Lufthansa-Stewardessen nach Deutschland reimportiert. Eine Geschichte fast so schön wie der legendäre Postraub in England! Alle, alle berichteten darüber: sueddeutsche.de, SPIEGEL ONLINE, B.Z., Hamburger Abendblatt, Bild.de, Der Tagesspiegel, WELT ONLINE, Handelsblatt, stern.de, um nur einige zu nennen.

Und nun? Nichts mehr!
Bereitwillig gebe ich zu, dass sich in den vergangenen fünf Wochen Wichtigeres ereignet hat, als dieser Betrug an der Bundesbank. Dennoch werde ich über Herrn Kachelmanns Zurechnungsfähigkeit auf dem Laufenden gehalten, obwohl ich an dieser nie ernstlich gezweifelt hatte. Ja, ist uns denn der Euro gar nichts wert? Oder will man das Ansehen der Lufthansa schützen? Befürchtet man ernstlich einen Einbruch der Passagierzahlen, wenn deren Flugbegleiter im Ruch stehen, mit Betrügern gemeinsame Sache zu machen? Könnte es zu diplomatischen Verwicklungen mit China kommen, gar die Freilassung Ai Weiweis gefährden? Will man Trittbrettfahrer nicht ermutigen, obwohl die übliche Berichterstattung in den Medien genau auf diesen Aspekt sonst keine Rücksicht nimmt? Geht es um Hüte, die niemand nehmen müssen soll, um fragwürdige Entlassungen aus der U-Haft, über welche die Presse sonst aber doch gerne berichtet? Vielleicht will man aber auch diskret die zusammengeklebten Euros wieder aus dem Verkehr ziehen, bevor sie zum hochgehandelten Sammlerstück werden.

1 Euro

Zwar bin ich kein Sammler und auch niemand, der auf Wertsteigerung seines Besitzes hofft, dafür aber bin ich ein romantisches Gemüt, und deshalb stelle ich mir zu gerne vor, bei dieser ramponiert aussehenden Euro-Münze könnte es sich um so einen China-Euro handeln. Deshalb – und nur deshalb – hebe ich sie auf und hoffe, dass irgendwann irgendwer über die Geschichte ein Buch schreibt oder einen Film dreht. Nur müsste man dazu erst mal mehr darüber erfahren. Und nein, ich möchte kein Buch über Herrn Kachelmann lesen! Der war ein unterhaltsamer Wetter-Onkel und interessiert mich ansonsten nicht die Bohne.