Wirklich verziehen habe ich es mir nicht – mein Nachgeben, die Rechtschreibreform betreffend. Immer hatte ich es richtig gefunden, dass einerseits der Duden – sich am Usus orientierend – die Schreibweise von Wörtern in einer jeweils gegenwärtigen Form angab und neue Begriffe aufnahm. Sprache ist lebendig und entwickelt sich. Andererseits war mir selbstverständlich, dass ein Mensch lebenslang bei der Schreibweise blieb, die er als Kind in der Schule gelernt hatte. Dass Sprache „von oben“ verordnet werden sollte, empörte nicht nur mich. Mit mir im Boot saßen (angemessener ausgedrückt: ich mit ihnen) große Tageszeitungen, Buchverlage, angesehene Schriftsteller und – zu meiner Erleichterung – auch mein damaliger Arbeitgeber. Das Boot war also kein Bötchen. Es war beinahe so etwas wie ein Schlachtschiff. Den Krieg gewonnen haben wir allerdings nicht. Einer nach dem anderen ging von Bord. Irgendwann gab auch ich nach, schrieb ein „ß“ nur noch nach lang gesprochenen Vokalen und gewöhnte mich an die Schifffahrt mit „fff“, denn schließlich ist Bettruhe und Betttruhe ja auch nicht dasselbe.

Es folgten weitere Reformen und Reförmchen unserer Sprache und setzten sich um so leichter durch, als sich die Programmierer digitaler Rechtschreibkontrollen stets beeilten, die Software auf den neuesten Stand zu bringen. Die sogenannte Texterkennung beim Smartphone schlägt mittlerweile dem orthografischen Fass den semantischen Boden aus, und als Mensch, dessen Wortschatz nicht auf ein Minimum beschränkt ist, sondern der auch mal seltene oder gar selbsterfundene Begriffe verwenden möchte, muss man verflucht aufpassen, dass die eilig getippte Kurznachricht nicht völlig sinnentstellt übermittelt wird. – Doch, ich weiß, dass man die Texterkennung ausschalten kann, aber manchmal spart sie ja tatsächlich Zeit.

Auf einem letzten (winzigen!) Fleckchen dieses weiten Feldes leiste ich noch Widerstand, nämlich wenn es um das Komma hinter dem schließenden Anführungszeichen geht. Erfreulicherweise hat sich nichts daran geändert, dass am Ende einer wörtlichen Rede niemals ein Punkt steht, wenn der wörtlichen Rede ein Begleitsatz folgt, sondern ein Komma hinter dem schließenden Anführungszeichen. In der Schule lernten wir (Jahrgang ’48), dass, wenn die wörtliche Rede mit einem Fragezeichen oder Ausrufezeichen endete, dieses (natürlich!) vor dem schließenden Anführungszeichen zu setzen war, und wenn ein weiterführender Begleitsatz folgte, dieser klein weitergeschrieben wurde. – Liegt es daran, dass Schüler von heute mit dieser Kleinschreibregelung völlig überfordert wären, hätte man es nicht zur Regel erklärt, dass nach dem schließenden Anführungszeichen immer ein Komma zu setzen ist, wenn ein Begleitsatz folgt – also „…?“, … bzw. „…!“, …?

Ich finde diese drei aufeinanderfolgenden Satzzeichen dermaßen unerträglich, dass ich mich weigere, sie zu setzen. Vielleicht geht es anderen Schreibenden ähnlich. Gerade lese ich einen Roman, in welchem der wörtlichen Rede kaum je ein Begleitsatz folgt. Gesagtes und Gefragtes werden jeweils nur durch einen Zeilenumbruch getrennt. Bei längeren Dialogen verliere ich da schon mal die Orientierung, wer gerade gesprochen hat.

Ein Sprachraum, der sich nicht entblödet, Gendersternchen zwischen Buchstaben zu klemmen, hat es vielleicht nicht besser verdient. Womöglich aber ist es auch symptomatisch in einer Zeit, in der nicht nur die Grammatik geändert wird, sondern in der man Dinge anders macht, um sie anders zu machen, und nicht weil jemandem etwas wirklich Besseres eingefallen ist.