Wenn jemand sagt, es sei bereits alles gesagt, so würde ich zwar nicht meinen Kopf darauf verwetten, aber ich wäre geneigt, dem zuzustimmen. Vermutlich ist wirklich alles gesagt – jedenfalls alles Wichtige. Was jedoch unbestreitbar ist: Es hat noch nicht alles jeden erreicht. Nicht einmal das Wichtige hat jeden erreicht. Und das kann nichts anderes bedeuten, als dass es nochmals gesagt werden muss, in anderen Sprachen. mit anderen Worten, …
Zu behaupten, es sei alles gesagt und (schriftstellerische) Kreativität sei – wenn überhaupt – nur noch möglich, indem man Text als Material behandelt, ist blanker Zynismus. Als Charles Bernstein 1979 auf die Idee verfiel, die „Abhebungen“ vom Korrekturband seiner Schreibmaschine zu transkribieren, war das ein Einfall, aus dem man etwas hätte machen können. Die Transkription mit dem Titel „Lift Off“ zu versehen und zum Gedicht zu erklären, war für mein Empfinden blanker Zynismus. Wenn heute Programmier-Künstler (oder Kunst-Programmierer) davon schwadronieren, dass demnächst Roboter Gedichte für Roboter schreiben werden, ist das blanker Zynismus. Und tatsächlich bleiben andere Bereiche der Kreativität von solchen Tendenzen ja nicht verschont. Computerprogramme komponieren aus Bach-Sequenzen neue Bachwerke, und der musikalisch Halbgebildete erkennt sogar, dass es sich „um ein Werk von Bach handeln“ muss – auch wenn es nicht wirklich an Bach heranreicht. Aber es gibt Menschen, die noch nie Musik von Bach gehört haben. Echte Musik vom echten Bach. Nun kann man nur hoffen, dass sie keinen falschen Eindruck vom nachgemachten Bach bekommen.
Und wie mir so die Unfähigkeit zu wahrer Kreativität aus allen Ritzen der Unterhaltungselektronik und auch schon zwischen Buchdeckeln hervor entgegen kriecht und dabei die noch größere Unfähigkeit zur Demut demonstriert, fällt mir wirklich nur noch eine Frage ein:
WAS SOLL DENN DIESER SCHEIß?
P.S.: Habe Kenneth Goldsmith‘ „Uncreative Wrting“ nach Seite 52 in die Ecke gefeuert und werde es diese Woche der Stadtbücherei spenden (obwohl ich nicht glaube, damit ein gutes Werk zu tun; es ist die Ehrfurcht vor den Bäumen, die mich treibt).
31. Juli 2017 at 10:55
Uiiii… war das jetzt das neue große „ß“? Ich weiß immer noch nicht, wie ich das aus meiner Tastatur zaubern kann. Außerdem sieht es dem kleinen ß viel zu ähnlich.
31. Juli 2017 at 18:36
Ich glaube, es gibt nur EIN ß. Da es keine Worte gibt, die mit ß beginnen, ist es vermutlich ein kleines, und bei Blockschrift ist man dann eben angeschmiert. Die Rechtschreibreform hätte uns von diesem hässlichsten Buchstaben des Alphabets ruhig befreien können.
31. Juli 2017 at 14:15
Na dann war Buchkauf wohl ein gewaltiger Fehlkauf?
31. Juli 2017 at 18:38
Allerdings war das Geldverschwendung, und ich sehe keinen Grund, dem auch noch Zeitverschwendung folgen zu lassen.
31. Juli 2017 at 20:02
Kenneth Goldsmith kenne ich eigentlich nur als schrulligen, aber klugen Typen. Der hat ein wahnsinniges Archiv aufgebaut, das UbuWeb. Zynismus würde mich da eher wundern. Vielleicht eine Gelegenheit, mal in das Buch reinzuschauen – natürlich nur ein geliehenes aus der Bücherei 😉
1. August 2017 at 17:26
Etwas irgendwie Kauziges, ein wenig Schrulliges aber durchaus mit Unterhaltungswert hatte ich wohl auch erwartet. Das Buch kommt aber eher ernsthaft und didaktisch daher, und mir fehlt zurzeit die Geduld, lange nach einem amüsierten Lächeln in mir zu graben.
7. August 2017 at 12:19
Die Rechtschreibreform hätte uns von diesem hässlichsten Buchstaben des Alphabets ruhig befreien können.
Hat sie aber nicht. Und jetzt kommt wohl tatsächlich das ß als Großbuchstabe…