Als das Teleklingel fonte, treppte ich die Rannte runter und türte gegen die Bumms.

Es ist eine von mir unmöglich abzuschätzende Zahl von Jahren her, dass ich diese Satz auf der Witzseite einer Zeitschrift las. Das Wörterverdrehen amüsierte mich so, dass ich ihn bis heute nicht vergessen habe. Und nun bin ich dem Wörterverdrehen wieder begegnet, und zwar in Gabriel García Márquez‘ Autobiografie „Leben, um davon zu erzählen“. Hier berichtet der Schriftsteller unter anderem von seinen Jahren am Colegio San José, und dass er sich nach der Lektüre von José Manuel Marroquíns „um den Verstand bringenden“ Gedichten für einige Zeit dessen Stil so sehr aneignete, dass er selbst mit dem Wörterverdrehen gar nicht mehr aufhören konnte. Einerseits berührte mich dieses Eingeständnis schon deshalb, weil ich selbst in jungen Jahren auch leidenschaftlich den Stil verschiedener Dichter imitiert habe – etwas wofür ich mich bis heute manchmal schäme. Aber wenn selbst einer von den ganz Großen … So etwas freut mich natürlich. Andererseits regte diese Geschichte mich dazu an, das Wörterverdrehen nun selbst einmal auszuprobieren. Hier ein erstes Ergebnis:

Verkehrter Besuch

Ein abendliches Ungemüt,
am Himmel wolken sich Türme.
Am Straßenrand wagen sich die Reihen
Stangenstoß an Stangenstoß.
Er eckt um den Park.
Jetzt könnte er einen Gebrauch schirmen.
Durchtreppt betritt er das Nasshaus.
Es kohlt nach Riech.

Sie flüchten sich nur kenntlich,
aber er wird befreundet wie ein alter Gruß.
Auf dem Tisch suppt der Dampf.
Er tapfert Löffel.
In ihrer gesichteten Mütterlichkeit
lächelt sich eine Breite aus.
Ob es ihn fragt, schmeckt sie nach.
Er zunickt stimmig.

Sie isst immer vor dem Beten.
Sie betet auch ihn an.
Er bleibe noch sollen, sagt sie.
Er ahnt, die Luft ist schlecht gebettet.
Doch als sie dann in seinem Gehen verarmt,
leidet sie ihm tut,
und er wiederspricht zu verkommen.
Er sieht sie wie nieder.

Der Witz ist: Es ist nicht witzig. Genau das aber hatte ich erwartet. Sicher kann man, wenn man es darauf anlegt, einen Text mit verdrehten Wörtern auch sehr witzig gestalten. Ich habe einfach aufgeschrieben und verdreht, was mir gerade in den Sinn kam. Das Resultat, eine recht banale kleine Geschichte, ist nicht von sich aus schon lustig. Ein Mann folgt einer Einladung, von der er sich von vorn herein vielleicht nicht viel verspricht – im Gegensatz zu der Frau, die ihn eingeladen hat. Beide werden enttäuscht. Mit Ironie könnte man diese Episode ins Komische ziehen. Durch das Wörterverdrehen jedoch wird sie gleichsam in ein düsteres Licht getaucht und erinnert in der erzeugten Befremdlichkeit an einen schweren Traum. Ein interessantes Experiment. Ich frage mich nun, ob dieser „Trick“ dazu geeignet ist, jede in einem Text angelegte Stimmung eher zu verstärken, als sie umzukehren. Ich werde sicher noch ein paar Versuche wagen.

Aber nochmals zu Gabriel García Márquez‘‘ Autobiografie:
Ein „Making of …“, dachte ich schon nach dem Lesen der ersten Seiten. In Gabriel García Márquez‘ Lebenserinnerungen begegnet man unzähligen Figuren und Motiven, die man aus seinen Romanen kennt, das Wiedersehen aber langweilt keineswegs. Im Gegenteil, es ist wie das Entdecken der Quelle eines Flusses, deren Anblick ja auch nicht enttäuscht, sondern mit Bewunderung darüber erstaunen lässt, was für ein breiter Strom sich daraus speist. Deshalb an dieser Stelle noch einmal Dank an Phillipp, der mir nicht nur das Buch empfohlen, sondern auch den Rat gegeben hat, es als letztes zu lesen – nachdem ich mich durch den Stapel der mir vorgenommenen Romane hindurch gelesen hätte.

Gabriel García Marquéz
Leben, um davon zu erzählen
Fischer Taschenbuch Verlag
ISBN: 978-3-596-16266-6