Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andere hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
Das Zitat aus Goethes Faust (Faust I, Vers 1112-1117) kennt fast jeder, und nicht wenige von uns werden zumindest die erste Zeile, ob wörtlich oder sinngemäß, schon einmal ausgerufen haben, wenn wir uns in unserem Innersten nicht einig mit uns selbst waren, sondern hin- und her gerissen fühlten.
Interessanterweise glaubten die Cherokee in ihrer von Leipzig runde 7.000 Kilometer entfernten ursprünglichen Heimat genau dasselbe, und das lange bevor jemand ihnen von Goethe etwas erzählen konnte. Die Cherokee-Indianer glauben nämlich, dass der Mensch zwei Seelen besitzt. Das heißt, zunächst einmal glauben sie, dass überhaupt alles eine Seele hat. Ein Baum hat eine Baumseele, ein Bär eine Bärenseele usw. Und im Unterschied zu allem anderen besitzt der Mensch zwei Seelen, eine Körperseele und eine Geistseele.
Die Körperseele ist für alles zuständig, was den Menschen lebens- und fortpflanzungsfähig macht, auf der Ebene des höher entwickelten Verstandes aber auch für alles, was mit Geld und Geschäften zu tun hat. Die Geistseele ist für die höheren Gefühle zuständig. Sie befähigt den Menschen, zu entscheiden, ob sein Handeln gut und richtig ist, zu Liebe, Freundschaft, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft
Während die Körperseele versteht, für sich selbst zu sorgen und von ganz allein mit dem Körper wächst aber auch mit ihm altert, muss die Geistseele gepflegt werden, um zu wachsen, reift aber altert nie. Wird sie gut gepflegt, sind ihrem Wachstum kaum Grenzen gesetzt,. Wird sie nicht gepflegt, bleibt sie klein oder verkümmert zu der Größe einer Erbse. – Hätte Faust zum Beispiel eine Geistseele von der Größe einer Erbse besessen, so wären die berühmten Worte nie gesprochen worden. Eine Erbse hat wenig zu vermelden.
Was mir an der Theorie von den (oder dem Glauben an die) zwei Seelen so gut gefällt, ist, dass sie (er) manches erklären würde, nämlich warum es Menschen gab und gibt, denen wir die Seele am liebsten absprechen würden, und es uns nur wundert, dass sie trotzdem leben, Geld verdienen (oft mehr als der brave Mann), die Politik bestimmen (mit historisch belegten teils katastrophalen Folgen) und dies alles, obwohl der Verlust der Seele doch eigentlich den Tod bedeuten müsste. Die Buchreligionen haben das mit dem Bösen erklärt, einer von außen auf den Menschen einwirkenden bösen Macht, die den von Gott zum Guten bestimmten Menschen in Versuchung führt, der er nicht erliegen sollte. Das gefällt mir schon deswegen nicht, weil es darauf hinaus läuft, Verantwortung von mir zu weisen, ich aber großen Wert darauf lege, für mich selbst verantwortlich zu sein, und dies nicht in einem Zustand ständiger Defensive gegen einen Teufel (um nur eine der üblichen Personifizierungen zu nennen), der mir meine Seele abspenstig machen will. Nein, ich denke wirklich, dass alles an und in uns selbst liegt. Zwei Seelen eben.
8. November 2008 at 11:30
Dieses war ein schönphilosophischer Eintrag.
Wann boxt eigentlich dieser ominöse „Faust“ gegen KlitschKO ?
(Seien wir doch mal ehrlich. Ich habe mindestens ca. 23 Eigenseelen geleast, bedarfsentsprechend eben. Und so wie ich Dich einschätze befinden sich wesentlich mehr von dem Zeuch in Deinem Privatbesitz, – also komplett abbezahlt;-)))
8. November 2008 at 14:01
Gut, dass ich der Zahlenmystik nichts abgewinnen kann, sonst müsste ich jetzt über die Bedeutung nachgrübeln, welche die 23 für Dich haben könnte, bevor ich mich zu einer adäquaten Antwort aufraffe.
Verlege ich mich also vom Mystifizieren aufs Psychologisieren, fällt mir auf, dass Du auf meine Bemerkung über die weiterentwickelten Zuständigkeiten der Körperseele mit Begriffen aus dem Wirtschaftsvokabular antwortest: geleast und abbezahlt.
Das (Ab)Bezahlen aber bringt mich wiederum darauf, dass ich gestern drauf und dran war, hier eintragsmäßig etwa Folgendes zu verkünden: Nämlich dass nur Kinder und Narren das Glück (im Sinne von „etwas riskieren ohne auf die Schnauze zu fallen“) geschenkt bekommen, während dem mit mehr Vernuinft begabten Menschen, der im Nachgang feststellt, dass er „einfach nur Glück gehabt“ hat, das Leben dafür den Schneid abkauft.
Der Gedanke ist so unausgegoren, dass ich ihn getrost in einem Kommentar verbraten kann. Vielleicht kommentiert ja jemand etwas Erhellendes zurück.
Ach so, ja… was Faust da betreibt, ist meiner Ansicht nach Schattenboxen, heute eher als Tai Ji bezeichnet.
Last but not least…
Deine Einschätzung meines Privatbesitzes ist ja fast so schön wie „Sie haben eine uuuuuuralte Seele“ (George Hamilton zu Susan Saint James in „Love at First Bite“). Danke! 😀
10. November 2008 at 6:01
Ja aber das muss man doch mal pekuniär realistischst sehen bitte.
Dieser Wolfgang G. verdient sich doch dumm und dämlich an den GemaGebühren !
Nur weil der mal irgendeinen HipHopSong(Faust) gefunzt hat.
10. November 2008 at 6:08
Du verwechselst da was. Wolfgang ist bei der VG Wort gelistigt, und DIE hat MIR noch nie auch nur einen Cent überwiesen. Und aus eben diesem Grund ist Wolfgang jetzt für Faustrecht.
10. November 2008 at 21:39
Bei Dir ist es Faust, bei mir war es Leslie Bricusse! 😉
10. November 2008 at 22:01
This Is The Moment (Jekyll And Hyde)?
Ich sollte vielleicht doch mal wieder mehr über die Cherokee schreiben. Für die ist das nämlich keine Problematik, sondern eine natürliche Gegebenheit mit Sinn und Zweck.